Lungenkrieg
Übersetzung aus: WHO 11(1), 59-60, 1999
Eine Studie über eine radikale Asthmabehandlung erregt die Befürworter
Claire Starkey hörte im Auto auf zu atmen, als ihr Mann Paul mit ihr zum Krankenhaus raste. "Ich wusste, dass ich sterben würde" ruft sie sich wieder in Erinnerung. "Mit meinem letzten Atemzug verabschiedete ich mich von ihm." Starkey beschreibt jene Nacht, als ob diese und all die anderen Asthmaanfälle, die sie fast umgebracht hätten, einer anderen Frau passiert wären. Jetzt, zwei Jahre nach diesem Horrortrip und 10 Jahre nachdem die Krankheit Ihr Leben zu bestimmen begann, ist sie eine energiegeladene, 35-jährige Mutter zweier Kinder mit einer hektischen Karriere als Management-Beraterin. Und ihr Asthma, das sie in ein Gefängnis aus wachsendem Bedarf an Medikamenten und beängstigender Bewusstheit jedes Atemzuges gezwungen hatte, ist verschwunden.
Starkeys Befreiung geschah durch eine revolutionäre Technik, bekannt als Buteyko-Methode, die auf der Theorie basiert, dass Asthmatiker hyperventilieren und ihr Asthma kontrollieren können, wenn sie lernen, ihre Atemweise zu verändern. Die von der Methode Überzeugten behaupten, dass die Anwendung der Technik, die zum ersten Mal 1960 von dem russischen Arzt und Wissenschaftler Konstantin Buteyko propagiert wurde, ein Leben ohne Medikamente bedeuten kann. Nichtsdestoweniger hat die Methode wissenschaftlichen Staub aufgewirbelt, nachdem im letzten Monat eine Studie an 39 Asthmatikern veröffentlicht wurde. Die Schlussfolgerung dieser Studie ist, dass die Technik den Medikamentenbedarf derjenigen, die sie anwenden, reduziert; aber sie konnte nicht beweisen, dass Hyperventilation (Überatmung) die Ursache von Asthma ist.
Die Studie wurde von Lungenärzten im "Mater Adult"- Krankenhaus in Brisbane (Australien) in Zusammenarbeit mit der Physiotherapeutin Tess Graham durchgeführt, einer Buteyko-Lehrerin aus Canberra, die so aufgebracht über die Deutung der Studie ist, dass sie ihren Namen von der Veröffentlichung gestrichen hat. Graham, 44, erklärt, die Art und Weise, wie die Studie präsentiert wurde, untergrabe die Bedeutung ihrer Ergebnisse. Sie sagt, die Studie beweise, dass Asthmatiker ihre Medikation halbieren können, wenn sie gelehrt werden, sich ein langsameres weniger tiefes Atemmuster zu eigen zu machen.
Nach der orthodoxen Medizin ist Asthma eine Entzündung der Luftwege, die normalerweise durch Allergene wie z.B. Zigarettenrauch, Hausstaubmilben, Katzenhaare oder Perfüm ausgelöst wird. Es gibt keine Heilung, aber Medikamente können die Krankheit unter Kontrolle halten, indem sie die Symptome behandeln und bei Daueranwendung Asthmaanfälle vermeiden. Mit zwei Millionen Betroffenen, hat Australien eine der höchsten Asthmaraten in der Welt, und die Zahlen steigen weiter. Die Australier geben jedes Jahr 740 Millionen Dollar für Asthmamedikamente aus, und das hat seit 1988 zu einer kontinuierlichen Verringerung der Todesrate geführt. Trotzdem starben 1996, entsprechend den neuesten erhältlichen Zahlen immer noch 730 Menschen in Australien an Asthma.
Konstantin Buteyko, jetzt 75 Jahre alt und in Moskau praktizierend, entwickelte seine Theorie in den 50er Jahren, nach der alle Asthmatiker zu tief und zu schnell atmen. Trotz einer Anzahl erfolgreicher Studien, war es schwierig, das medizinische Establishment zu überzeugen, dass die Methode funktioniert. Es dauerte bis 1980, bis ein ministerieller Erlass in der damaligen UDSSR erging, mit dem die Buteyko-Methode offiziell anerkannt wurde. Heute ist sie gängige Praxis in russischen Krankenhäusern, aber kämpft immer noch in anderen Teilen der Welt um Akzeptanz.
Sharon Smith ist mehr als bereit, eine Missionarin für diese Sache zu sein. Ihr Sohn, Ben, jetzt 8 Jahre alt, entwickelte mit 18 Monaten schweres chronisches Asthma. Nach 3 Jahren schlafraubenden Terrors, in denen Ben um Atem rang, machte Sharon einen Versuch mit Buteyko, das in 10 Lektionen unterrichtet wird. "Wir dachten, sie wären Scharlatane, weil wir schon alles probiert hatten: Naturheilkunde, Chiropraktik, Diäten" sagt sie. "Und als Tess Graham die Technik erklärte, dachte ich‚ es war wieder vergeblich, die Methode kann gar nicht funktionieren. Aber da ich das Geld für den Kurs bezahlt hatte, ging ich am nächsten Tag doch wieder hin."
Am dritten Tag, reduzierte Ben sein Ventolin (Salbutamol) zum ersten Mal seit Juli 1991, als er mit einem lebensbedrohlichen Asthmaanfall mit seiner Mutter im Krankenhaus unter einem Sauerstoffzelt verbracht hatte. "Es war nicht leicht" erklärt Sharon. "Man muss bereit sein, Zeit darauf zu verwenden und die Anstrengung zu machen, aber es funktioniert. Ich kann ihnen nicht mehr sagen, wann Ben das letzte Mal ein Asthma-Medikament gebraucht hat."
Positive Erfahrungsberichte, egal wie begeistert sie waren, haben das medizinische Establishment nicht überzeugt. Aber Graham, die über ihre Kinder, denen die Methode geholfen hatte, von ihren Medikamenten loszukommen, zu Buteyko fand, behauptet dass die Minderung der Hyperventilation bedeutet, dass man seine Abhängigkeit von Medikamenten vermindern kann. "Asthma ist bei allen Asthmatikern mit einem Atemmuster des Zuviel-Atmens verbunden und das sollte zuallererst behandelt werden" betont sie. "Das ist es, was die Studie gezeigt hat."
"Dies ist keine abschließende Studie über Buteyko", sagt Dr. Simon Bowler, der Leiter der "Mater Hospital"-Studie, der angibt, dass die Methode weitere wissenschaftliche Untersuchungen erfordert. Seit die Studie 1995 abgeschlossen wurde, hat er einige seiner Patienten an Buteyko-Lehrer weiterverwiesen. "Es ist ermutigend; es gibt Hinweise darauf, dass Buteyko den Bedarf an Medikamenten senken kann, besonders bei Leuten, die große Mengen Bedarfs-Medikamente nehmen." Aber er glaubt nicht daran, dass Asthma durch Hyperventilation verursacht wird, sondern meint, dass vieles dafür spricht, dass die Entzündung und Allergien die wahren Ursachen sind. "Grob gesagt, glaube ich, sind wir auf der richtigen Spur." Aber ich vermute eine Heilungsmethode, falls sie jemals entwickelt wird, wird sich auf einem Nebengleis finden, deshalb sollten wir offen bleiben für solche Dinge."
Claire Starkey interessiert mittlerweile nicht mehr, was die Studie zeigt. "Vielleicht haben sie die falschen Fragen gestellt" sagt sie. "Was z.B. ist mit der Lebensqualität? Ich konnte nicht einmal mehr lachen, weil das einen Hustenanfall ausgelöst hat. Ich habe soviel Zeit im Krankenhaus verbracht, ich kannte alle Schwestern und wusste, in welchen Schichten sie arbeiten. Jetzt gehe ich nur noch zu meinem Arzt, um ihm zu zeigen, dass ich immer noch nicht tot bin. Jetzt scherze ich darüber, dass die größte Herausforderung für mich war, das Sterben zu akzeptieren und nun ist es an Gewicht abzunehmen. Und nun bin ich so glücklich, dass ich lachen kann, ohne mir eine Rippe zu brechen."
(Übersetzung von Dr. Silvia Smolka)
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